Koch der kirchliche Kita: Kündigung wegen Kirchenaustritt?

Kita-Koch tritt aus der Kirche aus – außerordentliche fristlose Kündigung

Fast ein Vierteljahrhundert hatte ein Koch für eine Stuttgarter Kindertagestätte in Trägerschaft der evangelischen Gesamtkirchengemeinde gearbeitet, als er sich zum Kirchenaustritt entschloss. Aufgrund seiner langen Dienstzeit war er nicht mehr ordentlich kündbar. Das ergab sich aus der Kirchlichen Anstellungsordnung (KAO), die bei Mitarbeitern der Württembergischen Landeskirche und ihrer Gliederungen Teil des Arbeitsvertrags ist.

Dieses kirchliche Arbeitsrecht bestimmt allerdings auch, dass ein Kirchenaustritt als Loyalitätsverstoß gegenüber dem kirchlichen Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Deshalb kündigte die Gemeinde dem Kita-Koch einen Monat, nachdem dieser seinen Austritt vollzogen hatte, außerordentlich und fristlos. Dieser wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage.

Abwendung von der Dienstgemeinschaft oder ungerechtfertigte Anforderung?

Vor Gericht berief sich die Gemeinde darauf, dass ihre Kinderbetreuung auf der christlichen Botschaft basiere. Die Küche habe „als Herz der Kita“ den Sinn und Zweck, den Kindern einen achtsamen Umgang mit Lebensmitteln sowie Freude am Essen und der Gemeinschaft zu vermitteln. Die Gemeinde sah alle Beschäftigten der Kita als eine Dienstgemeinschaft, von der sich der Mitarbeiter bewusst abgewandt habe.

Dagegen wandte der Koch ein, dass sein Kontakt mit den Kindern nur in der Ausgabe von Getränken bestanden habe. Auch seine Teilnahme an Teamsitzungen mit den Erzieherinnen habe sich rein auf organisatorische Fragestellungen beschränkt und sei nur alle zwei Wochen erfolgt. Er sah die Forderung der Kirchenzugehörigkeit als eine nicht gerechtfertigte berufliche Anforderung und damit als unzulässige Benachteiligung.

Niederlage der Kirchengemeinde vor dem Arbeitsgericht: kirchliche Kita-Koch hat keinen Verkündigungsauftrag

Der Fall wurde zunächst vor dem Arbeitsgericht Stuttgart verhandelt, dann in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg. Beide entschieden im Sinne des Kochs, erklärten die außerordentliche Kündigung für wirkungslos und verurteilten die Gemeinde dazu, den Mitarbeiter in der Kita weiter zu beschäftigen.

Die Tätigkeit als Kochs war nicht mit dem Verkündigungsauftrag verbunden, so die Richter am Landesarbeitsgericht, der Loyalitätsverstoß des Kirchenaustritts durch die Glaubens- und Gewissensfreiheit gedeckt. Die Kirchenzugehörigkeit stellte keine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ dar. Damit verstieß die Kündigung des Kochs gegen das Benachteiligungsverbot im Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (§ 7 AGG).

Kernfrage: Wer entscheidet, welche Tätigkeiten den christlichen Ethos voraussetzen?

Die Kirche berief sich erfolglos auf die Ausnahmeregelung für religiöse und weltanschauliche Arbeitgeber (§ 9 AAG). Die Frage, wer darüber zu entscheiden hat, wann diese Ausnahmeregelung gilt, steht im Zentrum der arbeitsrechtlichen Konflikte um Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen, die gegen den kirchlichen Ethos verstoßen.

In der Berufung hatte sich die Kirchengemeinde gegen die Unterscheidung von verkündigungsnahen Aufgaben gewandt, für die sie die Loyalität zur Kirche fordern durfte, und verkündigungsfernen Tätigkeiten, bei denen eine Abkehr vom Ethos der Kirche kein Entlassungsgrund war. Genau auf dieser Differenzierung beharrte jedoch das Landesarbeitsgericht. Damit entschied es in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht bei privaten Loyalitätsverstößen von Arbeitnehmern der Kirche.

In solchen Fällen ist es demnach Sache der Arbeitsgerichte, die Angemessenheit der Loyalitätserwartung je nach der Art und den Umständen einer bestimmten Tätigkeit zu prüfen. Die Kirchen können nicht von sich aus bestimmen, für welche Berufe sie die Einhaltung kirchlicher Vorgaben zur privaten Lebensführung einschließlich der Kirchenzugehörigkeit fordern.

Fazit: Kirchliche Arbeitgeber brauchen stichhaltige Begründungen

Um die Kündigung eines kirchliche Kita-Koch vor Gericht zu rechtfertigen, hätte die Gemeinde mindestens einen von zwei Gesichtspunkten glaubhaft machen müssen:

  • einen konkreten Bezug seiner Aufgaben zur pädagogischen Arbeit des Kindergartens
  • seine Rolle als Repräsentant der kirchlichen Einrichtung nach außen

Von beidem konnte sie schlicht zu einem kirchliche Kita-Koch die Richter nicht überzeugen. Im Kern berief sie sich nur allgemein auf die Zugehörigkeit des Kochs zur kirchlichen „Dienstgemeinschaft“. Der Fall zeigt, dass kirchliche Arbeitgeber umdenken sollten. Sie müssen sich davon verabschieden, pauschal von allen Arbeitnehmern Treue zur kirchlichen Lebensweise einfordern zu können. Stattdessen sind in jedem Einzelfall stichhaltige Begründungen dafür notwendig, warum für ein bestimmtes berufliche Aufgabengebiet die Einhaltung des kirchlichen Ethos unabdingbar ist.

In diesem Zusammenhang kann es sinnvoll sein, Aufgabenbereiche neu zu überdenken. Von einem Koch, der regelmäßig mit den Kindern gemeinsam Essen zubereitet oder auf andere Art in die Erziehungsarbeit der Kita eingebunden ist, darf ein kirchlicher Arbeitgeber sehr wohl Treue zum Glauben erwarten.

Beratung für kirchliche Arbeitgeber: Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Dr. Sebastian Läßle berät als Teil der Meides Rechtsanwaltsgesellschaft konfessionelle Arbeitgeber im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Selbstverständnis und geltenden arbeitsrechtlichen Vorgaben. Sie erreichen Rechtsanwalt Dr. Läßle unter MEIDES Rechtsanwälte, Frankfurt.

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