Sozialkassenpflicht für Immobilienverwaltung wegen Kleinreparaturen im Facility-Management?
Urteil des LAG Hessen: Im Facility-Management droht Sozialkassenpflicht
Wenn Beschäftigte für Aufgaben im Facility-Management und zu Hausmeisterdiensten eingesetzt werden, droht dem Arbeitgeber die Pflicht zum Abführen von Sozialkassenbeiträgen. Das hat ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen in Frankfurt bestätigt. Kleinreparaturen etwa an Schlössern, Lichtschaltern und Lampen sowie kleine Maler- und Schreinerarbeiten können grundsätzlich unter den Sozialkassentarifvertrag fallen
Mitgliedschaft in der Elektro-Innung kein Schutz vor SOKA-Ansprüchen
Während der SOKA-Bau schon in früheren Urteilen Beitragsansprüche auf Hausmeister- und Reparaturtätigkeiten und Immobilienverwaltung durchsetzen konnte, ist die neue Entscheidung noch in einem weiteren Punkt bemerkenswert: Das auf Immobilienbestandspflege spezialisierte, zur Beitragszahlung verurteilte Unternehmen war Mitglied der örtlichen Elektro-Innung.
Trotzdem, so entschied das LAG Hessen, fiel es unter den Sozialkassen-Tarifvertrag für die Bauwirtschaft (VTV). Die 2017 abgeschlossene Verbändevereinbarung, die Innungsmitglieder im Ausbaugewerbe von Beitragsforderungen der SOKA-Bau ausnehmen sollte, schützte diesen Betrieb nicht. In dem Verfahren ging es um Forderungen in beträchtlicher Höhe: mehr als 3,7 Millionen Euro an Beitragsnachzahlungen für einen zweijährigen Zeitraum von 2013 bis 2015.
Sozialkassenpflichtig als „Mischbetrieb“
Die Arbeitnehmer des von der Sozialkasse verklagten Betriebs umfasst Fachkräfte aus verschiedenen Gewerken wie dem Heizungsbau und Sanitärgewerbe oder dem Maler- und Lackiererhandwerk. Das Immobilien-Dienstleistungsunternehmen führt Reparaturen und Renovierungsarbeiten im Wohnungsbestand seiner Kunden durch, sowohl bei laufenden Mietverhältnissen wie vor einer Neuvermietung. Dazu gehören Elektrikertätigkeiten, Klempnerarbeiten, Reparaturen an Heizung und Sanitärinstallation, Maler- und Lackierarbeiten, Fliesenlegerarbeiten, Mauer- und Putzarbeiten, das Verlegen von Estrich, Glaserarbeiten sowie Trockenbau, Mauern und Verputzen.
Einige dieser Tätigkeiten, etwa Putz-, Maurer-, Estrich und Trockenbauarbeiten, führt der VTV explizit als beitragspflichtig auf. Viele andere, darunter Klempner-, Sanitär, Maler-, Sanitär-, Dachdecker- und Glaserarbeiten, fielen nach Ansicht des LAG Hessen unter die Auffangklausel des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Demnach führen alle Leistungen zur SOKA-Beitragspflicht, die „irgendwie“ der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sobald sie mehr als fünfzig Prozent der Gesamtarbeitszeit umfassen.
Sozialkassenpflichtig als „Mischbetrieb“
Der Sozialkassentarifvertrag der Bauwirtschaft ist allgemeinverbindlich und gilt unabhängig davon, ob ein Betrieb Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist. Fällt der Arbeitgeber jedoch unter einen anderen Tarifvertrag, ist er vom VTV und damit von der Sozialkassenpflicht im Baugewerbe in der Regel ausgenommen. Als Mitglied der Elektro-Innung sah sich der Immobiliendienstleister deshalb vor dem Zugriff der SOKA-Bau geschützt.
Das LAG Hessen war anderer Ansicht. Demnach bewahrte die Innungsmitgliedschaft das Unternehmen nicht vor den SOKA-Forderungen, weil es ein Mischbetrieb sei und Elektroinstallationsarbeiten bei der Gesamtarbeitszeit nicht überwogen. Die Verbändevereinbarung schützt Innungsmitglieder von Ausbauhandwerken zwar auch in solchen Fällen vor SOKA-Beiträgen, falls die Mitgliedschaft bereits am 30. 06. 2014 bestand. Die seit Januar 2019 geltende Verbändevereinbarung entwickelt dem LAG zufolge jedoch keine Rückwirkung auf den strittigen Zeitraum. Außerdem habe das Unternehmen selbst im Prozess angegeben, dass die Elektroinstallationsarbeiten nicht überwogen.
SOKA-Pflicht erfordert weder einen Bauleistungskern noch Arbeitnehmerfluktuation
Auch zwei weitere Einwände des Facility-Management-Dienstleister konnten die Richter nicht umstimmen. So bemängelte ein im Auftrag des verklagten Unternehmens erstelltes Gutachten, dass bei der Mehrzahl der Hausmeister- und Reparaturtätigkeiten im Rahmen des Facility-Managements ein „Bauleistungskern“ fehlte. Das Landesarbeitsgericht schlug sie dennoch dem Sozialkassentarifvertrag der Bauwirtschaft zu. Ein Bauleistungskern sei keine Voraussetzung für die Beitragspflicht. Einfacher ausgedrückt: Auch gänzlich nicht-bauliche Tätigkeiten können Beitragspflicht zur Sozialkasse der Bauwirtschaft auslösen.
Ähnliches galt für das Phänomen hoher Arbeitnehmerfluktuation, das ursprünglich als Argument für die Einführung einer überbetrieblichen, tariflichen Urlaubskasse diente. Dass eine solche Fluktuation im Facility-Management nicht gegeben ist, war für das LAG ebenfalls irrelevant. Eine „Einzelfallprüfung“ würde nach Ansicht der Richter „die Funktionsfähigkeit der Sozialkassen in erheblicher Weise“ gefährden.
Vielleicht sieht es das Bundesarbeitsgericht anders
Das Landesarbeitsgericht ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu. Doch offenbar hat das Unternehmen auf einen Revisionsantrag verzichtet. Schade – vielleicht hätte man in Erfurt die Innungsmitgliedschaft anders beurteilt. So wird die LAG-Entscheidung bei anderen betroffenen Betrieben für Unruhe sorgen: Die SOKA-Bau kann sie trotz Mitgliedschaft in einer Innung des Ausbaugewerbes ins Visier nehmen.
Dabei ist es schwer einzusehen, dass die gesetzlich festgelegte Allgemeingültigkeit von Sozialkassentarifverträgen anscheinend problemlos Rückwirkung entfaltet, Vereinbarungen zu den Ausbaugewerken jedoch nicht. Auch dass die beliebte Gummiklausel des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV de facto dazu dient, den „Kundenkreis“ der SOKA über das Baugewerbe hinaus immer weiter auszudehnen, ist wenig erfreulich. Das gilt umso mehr, wenn wie im hier geschilderten Fall die soziale Rechtfertigung des Urlaubskassenverfahrens angesichts fehlender Personalfluktuation völlig entfällt.
Beitragsforderungen der SOKA-Bau abwehren: Ein Fall für Dr. Meides Rechtsanwälte
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