BGH: Für Datenschutzverstöße haften in der Regel die Unternehmen – nicht die Mitarbeiter
Arbeitnehmer sind keine „Verantwortlichen“ nach DSGVO – Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Die Frage taucht in der Praxis ständig auf: Wer ist Ansprechpartner und Anspruchsgegner bei Datenschutzpannen – der einzelne Sachbearbeiter oder das Unternehmen? Der Bundesgerichtshof hat das nun klar herausgestellt: Mitarbeiter handeln im Datenschutzrecht normalerweise nicht als „Verantwortliche“. Ansprüche – etwa auf Auskunft oder Schadensersatz – richten sich grundsätzlich gegen das Unternehmen bzw. die Behörde.
Das hat der BGH klargestellt
- Arbeitnehmer sind dem „Verantwortlichen“ (dem Unternehmen/der Behörde) unterstellte Personen und handeln weisungsgebunden. Deshalb sind sie in aller Regel nicht selbst „Verantwortliche“ im Sinne der DSGVO. Folge: Primärer Anspruchsgegner ist das Unternehmen, nicht der einzelne Mitarbeiter.
- Diese Linie deckt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 29 DSGVO und der Definition des „Verantwortlichen“ in Art. 4 Nr. 7 DSGVO (EuGH, Urteile vom 11. April 2024 – C‑741/21 „juris GmbH“; vom 22. Juni 2023 – C‑579/21 „Pankki S“).
- Der BGH hat eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und dabei betont, dass diese Grundsätze klar sind (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2025 – VI ZR 297/24).
Kurz gesagt: Für Datenschutzverstöße in betrieblichen Prozessen haftet grundsätzlich der Verantwortliche – also das Unternehmen oder die Behörde – und nicht die einzelne Bearbeiterin am Telefon oder der Sachbearbeiter im Backoffice.
Was bedeutet das für Betroffene?
Wenn Sie Ihre Datenschutzrechte durchsetzen möchten, gehen Sie gegen den Verantwortlichen vor – nicht gegen einzelne Mitarbeiter. Das gilt etwa für:
- Auskunft und Kopie Ihrer Daten (Art. 15 DSGVO)
- Berichtigung, Löschung, Einschränkung (Art. 16–18 DSGVO)
- Widerspruch (Art. 21 DSGVO)
- Schadensersatz (Art. 82 DSGVO)
Wichtig beim Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO:
- Sie müssen konkrete negative Folgen schildern, die der Verstoß bei Ihnen ausgelöst hat (z. B. messbare Belastungen, Nachteile, Beeinträchtigungen). Reine Unzufriedenheit oder abstrakter Ärger genügen in der Regel nicht.
- Eine „Vorstufenpflicht“ zur vorherigen Einlegung bestimmter Rechtsmittel gibt es bei Art. 82 DSGVO grundsätzlich nicht. Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass der nationale Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB (zunächst Rechtsmittel ergreifen) auf Art. 82 DSGVO nicht übertragen wird.
Was bedeutet das für Unternehmen und Behörden?
Die Entscheidung unterstreicht: Datenschutz-Compliance ist Chefsache. Mitarbeiter handeln weisungsgebunden – die Verantwortung für rechtmäßige Verarbeitung, sichere Prozesse und korrekte Antworten liegt beim Verantwortlichen.
Prioritäten für Verantwortliche:
- Klare Verantwortlichkeiten: Benennen Sie intern, wer Auskunfts- und Betroffenenrechte koordiniert (DSB/Privacy Team/Legal).
- Weisungen und Schulung: Dokumentierte Arbeitsanweisungen (Art. 29 DSGVO), regelmäßige Schulungen, „Do’s & Don’ts“ für Mitarbeitende.
- Prozesse und Fristen: Standardisierte Workflows für Auskunft, Berichtigung, Löschung; Fristenmanagement; Prüf- und Freigabeprozesse.
- Datensparsamkeit und Sicherheit: Aktuelle TOMs, Berechtigungskonzepte, Löschkonzepte, Protokollierung.
- Antwortqualität: Auskünfte vollständig, verständlich und fristgerecht; bei Schadensfällen strukturierte Darstellung, ggf. Wiedergutmachung.
Risikosteuerung:
- Ein einzelner Verarbeitungsfehler wird in der Außenhaftung dem Verantwortlichen zugerechnet. Gute Schulungen, klare Weisungen und gelebte Prozesse senken Fehlerquoten – und damit Haftungs- und Reputationsrisiken.
- Und stets Betriebsrat beziehungsweise Personalrat bei der Einführung, Änderung oder Konsolidierung von Prozessen und Systemen zur Verarbeitung von Beschäftigtendaten frühzeitig und strukturiert einbinden. (s. auch Arbeitnehmerdatenschutz)
Unser Fazit: Datenschutz ist Chefsache
Die Linie ist klar: Datenschutzpannen sind Organisationssache – und damit Haftungssache des Verantwortlichen. Betroffene sollten ihre Rechte zielgerichtet gegenüber dem Unternehmen/der Behörde geltend machen und bei Schadensersatz konkrete Folgen darlegen. Verantwortliche sollten ihre Datenschutzorganisation belastbar aufstellen: klare Weisungen, starke Prozesse, gute Schulung.
Sie haben Fragen zum arbeitsrechtlichen Datenschutz im Unternehmen oder benötigen Unterstützung bei der Umsetzung der DSGVO? Schildern Sie uns Ihren Fall: eMail an MEIDES Rechtsanwälte. Wir prüfen zügig, empfehlen das passende Vorgehen und formulieren die nötigen Schreiben.
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