SOKA-Beiträge für mobile Stahlschutzwände im Straßenbau?
Mobile Stahlschutzwände grenzen Baustellen und veränderte Fahrspuren auf Straßenbaustellen ab und sorgen so für Sicherheit. Für solche Leit- und Schutzeinrichtungen werden Elemente vorgefertigt, vor Ort miteinander verbunden und temporär aufgestellt. Darin sieht das Landesarbeitsgericht Hessen Straßenbauarbeiten.
Diese Einordnung gibt der tariflichen Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA-Bau) Anspruch auf Beiträge gegenüber Betrieben, die solche Schutzwände montieren. Doch die endgültige Entscheidung wird das Bundesarbeitsgericht in Erfurt treffen.
Der Streitfall: SOKA-Beiträge für mobile, aus Metallelementen montierte Schutzsysteme?
Fast 150.000 Euro wollte die SOKA-Bau von einem Betrieb, der sich auf Leitplanken und Stahlschutzwände zur Sicherung von Straßen- und Brückenbaustellen spezialisiert hatte. Das Unternehmen sah sich nicht als beitragspflichtige Baufirma, sondern als Hersteller von Verkehrssicherungssystemen und als Betrieb der Metallindustrie. Der Streit ging vor Gericht.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Beitragspflicht
Das Hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main sprach der SOKA-Bau die Beitragsansprüche zu. Dabei stützte es sich auf zwei Argumente:
- Die Stahlschutzwände seien eine Voraussetzung zur sicheren Durchführung von Straßenbauarbeiten. Deshalb sei ihre Aufstellung ein Teil dieser Arbeiten. Straßenbau ist beitragspflichtig zur SOKA-Bau.
- Gleichzeitig sei die Montage der Schutzwände Montagebau, bei dem vorgefertigte Bauelemente zusammengesetzt werden. Montagebau löst ebenfalls SOKA-Beitragspflicht aus.
Das Gegenargument: Verkehrssicherung ist Dienstleistung, keine Bauleistung
Das Unternehmen hatte drei Gegenargumente vorgebracht:
- Verkehrssicherung sei kein Teil des Straßenbaus, denn diese Dienstleistung betreffe die Funktion der Straße gar nicht.
- Als indirektes Mitglied im Arbeitgeberverband Gesamtmetall sei der Betrieb von Forderungen der SOKA-Bau ausgenommen. Allerdings war das Unternehmen nur ein OT-Mitglied (ohne Tarifbindung) der Arbeitgeberorganisation. Die Ausnahme für Unternehmen, in denen andere Tarifverträge gelten, ist Bestandteil der ministeriellen Allgemeinverbindlicherklärung, durch die die tarifliche Sozialkasse auch für nicht tarifgebundene Betriebe gilt.
- Das Unternehmen zählte sich zur Metallindustrie, nicht zum Bauhandwerk. Bis auf wenige Ausnahmen gilt der Grundsatz: keine SOKA-Beitragspflicht für Industriebetriebe. Die Haupttätigkeit des Unternehmens bestand nach eigener Einschätzung vor allem in der industriellen Vorfertigung von Metallbauteilen für die Leitplanken und Metallschutzwände, nicht in deren Aufstellung der Systeme vor Ort.
Ein entscheidender Punkt: OT-Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband
„Eine OT-Mitgliedschaft ist nicht ausreichend“, steht wörtlich in der Urteilsbegründung. Nur als direktes oder indirektes Vollmitglied von Gesamtmetall hätte das Unternehmen die Beitragsforderungen der SOKA wohl abwehren können.
Die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ist zwar rechtlich möglich. Das Konstrukt wurde schon vor Jahren sowohl vom Bundesarbeitsgericht als auch vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet. Doch von tarifrechtlichen Ausnahmeregelungen profitiert man dann nicht. Das hat das Hessische LAG nun auch in Bezug auf SOKA-Beiträge klargestellt.
Zwar wurde schon 2006 eine Verbändevereinbarung zwischen SOKA-Bau, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und Gesamtmetall geschlossen. Darin wurden auch OT-Mitglieder der Metall-Arbeitgeberverbände von der SOKA-Beitragspflicht ausgenommen. Diese Vereinbarung blieb aus Sicht des LAG in diesem Fall aber wirkungslos. Das LAG berief sich darauf, dass eine Verbändevereinbarung keinen Tarifvertrag ändern könne. Und die Beitragspflicht zur Sozialkasse der Bauwirtschaft ist in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag geregelt (VTV).
| Mitgliedschaft in nicht-baulichem Arbeitgeberverband (z. B. Gesamtmetall) | ||
| Vollmitglied | OT-Mitgliedschaft | |
| Rechtliche Auswirkungen: | Tarifrecht und Vereinsrecht | nur Vereinsrecht |
| Bindung an Tarifvereinbarungen in der entsprechenden Branche | ja | nein |
| Bindung an Bau-Tarifverträge | i. d. R. nein | Möglich, abhängig von Tätigkeiten und Arbeitszeitanteilen |
| Bindung an VTV (Sozialkassenpflicht, Beiträge zur SOKA-Bau) | i. d. R. ausgeschlossen durch andere Tarifbindung | |
Revision zum BAG: noch ist die Sache nicht entschieden
Trotzdem hat die SOKA-Bau den Rechtsstreit noch nicht gewonnen. Derzeit ist die Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Dort wird es voraussichtlich vor allem um die Frage gehen, ob das Fertigen und Aufstellen von Stahlschutzwänden zur Sicherung von Straßenbaustellen wirklich eine bauliche Leistung darstellt.
Wichtige Begriffe in einfach
- OT-Mitgliedschaft: Mitglied im Arbeitgeberverband „ohne Tarifbindung“. Man nutzt Service, ist aber nicht an die Tarifverträge des Verbandes gebunden.
- Vollmitgliedschaft (mit Tarifbindung): Ordentliches Mitglied, das an die vom Verband geschlossenen Tarifverträge gebunden ist. Das ist die „echte“ Mitgliedschaft im Sinne des Tarifvertragsgesetzes.
- Allgemeinverbindlicherklärung (AE): Staatliche Erklärung, dass ein Tarifvertrag für eine ganze Branche gilt – auch für nicht tarifgebundene Unternehmen. Es gibt teils Einschränkungen, die bestimmte andere Branchen/Verbände ausnehmen.
- VTV Bau: Verfahrenstarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SOKA-BAU).
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