Massenentlassungsanzeige: Nicht jeder formale Fehler lässt die Kündigungen unwirksam werden

Bundesarbeitsgericht: Massenentlassungsanzeige trotz fehlendem Dokument gültig

Arbeitgeber, die innerhalb von dreißig Kalendertagen mehrere Stellen gleichzeitig abbauen wollen, müssen zunächst den Betriebsrat konsultieren und ihm ausführlich Auskunft zu den geplanten Kündigungen erteilen. Außerdem ist das Abgeben einer sogenannten Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit vorgeschrieben. Dies gilt für sämtliche Betriebe mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten, und dort bereits ab sechs Entlassungen.

Die Arbeitgeber dürfen die Kündigungen erst nach der Konsultation des Betriebsrats und der Anzeige an die Bundesagentur aussprechen. Das macht den Personalabbau umständlich und langwierig. Schlimmer noch: lange Zeit drohte schon bei kleinen Formfehlern die Unwirksamkeit sämtlicher Kündigungen. Damit schwebte stets ein Damoklesschwert über dem Arbeitgeber. Schließlich fällt die Trennung von mehreren Beschäftigten gleichzeitig meist in wirtschaftlich schwierige Phasen.

Diesen Druck haben der Europäische Gerichtshof und das Bundesarbeitsgericht vor einiger Zeit etwas abgemildert. Neuen Gerichtsentscheidungen zufolge sorgt nicht mehr jedes Versehen bei der Übermittlung der Anzeige dafür, dass die anschließenden Kündigungen unwirksam sind.

Etwas entschärft: das Risiko der Massenentlassungsanzeigen

Die Gerichtsentscheidungen bezogen sich auf die Klage, die der Beschäftigte eines insolventen Unternehmens gegen die Kündigung durch den Insolvenzverwalter eingereicht hatte. Dieser hatte zwar die Massenentlassungsanzeige der zuständigen Arbeitsagentur Osnabrück übermittelt, allerdings ohne die vorgeschriebene Kopie der Mitteilung an den Betriebsrat. Aufgrund dieser Verletzung der Vorschriften war die Kündigung nach Auffassung des klagenden Arbeitnehmers unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor. Der entschied, die gesetzliche Verpflichtung zur Massenentlassungsanzeige diene zu Informations- und Vorbereitungszwecken der Arbeitsagentur, sie sei kein individuelles Schutzrecht betroffener Arbeitnehmer.

Auf dieser Grundlage verwarf dann auch das Bundesarbeitsgericht die Kündigungsschutzklage. Die Kündigung war wirksam, obwohl der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber der Arbeitsagentur nicht alle der vorgeschriebenen Informationen beziehungsweise Dokumente übermittelt hatte.

Eine Massenentlassungsanzeige kann schon bei sechs Kündigungen notwendig sein

Arbeitgeber, die innerhalb von 30 Tagen mehrere Arbeitnehmer entlassen, müssen ab bestimmten Grenzen umfangreiche Mitteilungen an den Betriebsrat und die Bundesagentur für Arbeit erstatten. Dafür hat sich der Begriff Massenentlassungsanzeige eingebürgert. Das Kündigungsschutz legt für die Anzeigepflicht folgende Staffel fest:

Wann wird eine Massenentlassungsanzeige notwendig?
bei dieser Betriebsgröße … … und so vielen Kündigungen:
mehr als 20 Arbeitnehmer Entlassung von sechs Arbeitnehmern oder mehr
60 oder mehr Arbeitnehmer Entlassung von mehr als 25 Arbeitnehmern oder von mindestens 10 Prozent der Belegschaft
500 oder mehr Arbeitnehmer Entlassung von 30 Arbeitnehmern oder mehr
Gezählt werden Kündigungen durch den Arbeitgeber, vom Arbeitgeber veranlasste Eigenkündigungen sowie Aufhebungsverträge, die innerhalb von 30 Kalendertagen erfolgen. Die Trennung von leitenden Angestellten sowie außerordentliche Kündigungen zählen nicht.

Mehr zum Thema lesen Sie im Beitrag „Arbeitgeber: Pflichten bei Kündigungswelle und Massenentlassung“.

Dem Betriebsrat soll der Arbeitgeber unter anderem die Berufsgruppen der Arbeitnehmer mitzuteilen, denen gekündigt werden soll, die Kündigungsgründe, die Auswahlkriterien und die Berechnung möglicher Abfindungen.

Die Arbeitsagentur will neben einer Kopie dieser Mitteilung sowie der Stellungnahme des Betriebsrats Angaben zu Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der Beschäftigten, denen der Arbeitgeber kündigen möchte.

Wenn Personalabbau ansteht: Formfehler und arbeitsrechtliche Probleme vermeiden

Auch wenn die neuere Rechtsprechung die Lage ein wenig entschärft hat, bleiben Massenentlassungsanzeigen eine Herausforderung.  Zum einen benötigen Anzeigen und Stellungnahme ihre Zeit. Zum anderen droht weiterhin die Unwirksamkeit der Kündigungen, wenn die Anzeige nicht oder zu spät erfolgt, im Verfahren Schutzrechte des Arbeitnehmers verletzt werden oder die Auswahl der Gekündigten angreifbar ist.

Personalabbau, der mehrere Stellen gleichzeitig betrifft, sollte deshalb von vornherein auf eine solide arbeitsrechtliche Grundlage gestellt werden:

  • Das Beratungshonorar eines Fachanwalts für Arbeitsrecht macht sich angesichts des Kostenrisikos durch Scheitern der Kündigungen allemal bezahlt. Ein spezialisierter Rechtsanwalt wie Dr. Meides begründet die Kündigungen stichhaltig und sorgt für die Vermeidung von Formfehlern.
  • Die arbeitsrechtliche Seite darf nicht erst ins Blickfeld rücken, wenn es Zeit für die Mitteilung an den Betriebsrat wird. Die Trennung von mehreren Arbeitnehmern gleichzeitig benötigt ausreichende Vorbereitung. Holen Sie den Fachanwalt für Arbeitsrecht von Anfang an ins Boot.

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Rechtsanwalt Dr. Meides ist Fachanwalt für Arbeitsrecht mit langjähriger Erfahrung in der Beratung von Arbeitgebern. Er ist darauf spezialisiert, Betriebsstilllegungen oder Umstrukturierungen zu begleiten und Massenentlassungsanzeigen, Sozialplan und Interessensausgleich zu gestalten und zu verhandeln. Nehmen Sie Kontakt auf per E-Mail an MEIDES Rechtsanwälte Frankfurt.

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