SOKA-Bau Beitragspflicht: Anlagenbau statt Rohrleitungsbau
Keine Beitragspflicht: die Sozialkasse schaut in die Röhre
Mehr als eine Viertelmillion Euro sollte ein Unternehmen aus dem Raum Dortmund der tariflichen Sozialkasse der Bauwirtschaft an Beiträgen nachzahlen. Die SOKA-Bau, wie sie kurz genannt wird, war vor Gericht gezogen. Für sie fiel das Unternehmen unter den VTV, den vom Bundesarbeitsministerium für allgemeingültig erklärten Bau-Tarifvertrag über das Sozialkassenwesen.
Die Klage der tarifvertraglichen Sozialkasse ging jedoch ins Leere. Das Landesarbeitsgericht Hessen in Frankfurt am Main wies die Beitragsforderungen zurück. Stattdessen musste die SOKA-Bau als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits übernehmen. Als entscheidend erwiesen sich die genaue Zuordnung der vom Betrieb erbrachten Arbeiten und seine solide Beweisführung.
Anlagenbau oder Rohrleitungsbau? Eine Frage von großer Bedeutung
Da der VTV für allgemeingültig erklärt wurde, sind Arbeitgeber auch ohne Mitgliedschaft in einem Bau-Arbeitgeberverband beitragspflichtig zur Sozialkasse. Entscheidend ist allein, ob mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit im Unternehmen auf Arbeiten entfällt, die der Tarifvertrag erfasst.
So erwähnt der VTV explizit „Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen“. Damit begründete die SOKA-Bau ihre Forderungen gegen das Dortmunder Unternehmen. Laut Handelsregistereintrag führte es „einfache Schweißarbeiten“ und „Rohrleitungsbau“ aus. Ein Antwortschreiben des Steuerberaters an die SOKA-Bau schien diese Einordnung zu bestätigen. Es nannte „Leistungen im Bereich des industriellen Rohrleitungsbaus“ als arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit.
Zum Glück für den Betrieb konnte es spätestens im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht ein differenzierteres Bild zeichnen. Tatsächlich hatte er reine Schweißarbeiten an Rohrleitungen, verbunden mit zugehörigen Tiefbauarbeiten, längst hinter sich gelassen. In dem Beitragszeitraum, um den sich die Klage drehte, übernahm das Unternehmen vor allem Aufgaben rund um die Montage von Industrieanlagen. Dazu gehörten zum Beispiel Kühlwasseranlagen, Wärmetauscher, Pumpstationen, Dosieranlagen, Filteranlagen, Erdgasregelanlagen, Industrieöfen sowie Luftzerlegungsanlagen zur Gastrennung. Neben dem Anschluss an die Versorgungsleitungen baute der Betrieb Einzelkomponenten wie Motor, Pumpen, Filter und Messgeräte ein und übernahm die Reparatur und Wartung der Anlagen.
Das Gericht stellt klar: Keine Soka-Beiträge für Anlagenbau
Die Richter am Landesarbeitsgericht bestätigten zunächst die laufende Rechtsprechung. Sie stellten fest, dass neben dem Rohrleitungsbau auch verwandte Tätigkeiten wie die Instandhaltung, Reparatur und Sanierung der Rohrnetze oder Vorarbeiten wie Blech- und Schlossertätigkeiten in der Werkstatt unter den VTV fallen, also beitragspflichtig sind.
Gleichzeitig betonte das Gericht, dass der Rohrleitungsbau von Arbeiten an technischen Anlagen abzugrenzen ist. Diese fallen nicht in den Geltungsbereich des tariflichen Sozialkassenverfahrens. Industrieller Anlagenbau ist selbst dann beitragsfrei, wenn nebenbei Anschluss- und Rohrleitungsarbeiten anfallen, etwa bei der Montage eines Kraftwerkkessels.
Damit blieb das Landesarbeitsgericht auf der Linie früherer Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, das ebenfalls Anlagenbau von der SOKA-Beitragspflicht ausgenommen hat. Beispiele dafür sind BAG-Entscheidungen zur Montage einer Hochfrequenzkabine oder von Druckrohrsystemen für Kraftwerke.
Gute Argumente gegen die SOKA-Bau: Der Betrieb punktet vor Gericht
Das Unternehmen legte dem Gericht eine genaue Aufschlüsselung der Arbeitszeitanteile vor. Damit konnte es seine Darstellung stichhaltig untermauern. Der Betrieb veranschlagte den Arbeitszeitanteil der Installation von Apparaten, Behältern und Anlagen auf 29 Prozent, die Planung und Installation von Steuer- und Regelsystemen auf 6 Prozent und die Kundenbetreuung sowie Reparatur und Wartung von Anlagen mit 29 % der Arbeitszeit. Demnach belegte der Anlagenbau samt Nebentätigkeiten deutlich mehr als die Hälfte der Arbeitszeit. „Arbeitszeitlich überwiegend“ wurden nicht Rohre verschweißt, sondern industrielle Anlagen montiert.
Die Darstellung wurde durch Zeugenaussagen der Belegschaft bestätigt. Dazu kam die Qualifikation der Mitarbeiter, die das Gericht ebenfalls als Argument berücksichtigte. Das Unternehmen wurde von einem Ingenieur der Wasserversorgung geleitet. Von den gewerblichen Arbeitnehmern hatten sieben eine abgeschlossene Ausbildung als Anlagenmechaniker, ein Arbeitnehmer war Installateurmeister und einer Kessel- und Behälterbauer.
In der Summe ergab sich ein klares Bild: Der Betrieb war im Anlagenbau aktiv, nicht im Rohrleitungsbau. Das entzog den Beitragsforderungen der SOKA-Bau den Boden. Sie verlor das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht.
Fazit: Gegenwehr lohnt sich – sie sollte schon bei der Antwort an die SOKA beginnen
Der juristische Erfolg des beklagten Unternehmens war keine Selbstverständlichkeit. Auf den ersten Blick hatte die Sozialkasse gute Karten. Sie konnte sich auf den Handelsregistereintrag des Unternehmens berufen, der mit Rohrleitungsbau und Tiefbau zwei explizit beitragspflichtige Tätigkeiten benannte.
Dazu kam die unglücklich formulierte Antwort des Steuerberaters, die die Weichen weiter in die falsche Richtung stellte. Dies passiert recht häufig. Es ist wichtig, den Kontakt zur SOKA-Bau direkt von der Antwort auf erste Anfragen hin Fachleuten zu überlassen. Wer das Sozialkassen-Tarifrecht nicht genau kennt, kann die Tragweite der eigenen Angaben nicht einschätzen. Mehr dazu steht in „Die SOKA will Selbstauskunft? Antworten Sie nicht vorschnell“.
Auf der anderen Seite beweist der Fall, dass Unternehmen der Sozialkasse bei ungerechtfertigten Forderungen erfolgreich Paroli bieten können. Wichtig ist dafür eine gründliche Vorbereitung. Außerdem muss man wissen, welche Aspekte vor Gericht im tarifvertraglichen Sozialkassenrecht den Ausschlag geben – etwa die Abgrenzung von Rohrleitungsbau und Anlagenbau.
Anlagenbau oder nicht? Die Fachanwaltskanzlei Meides berät Sie
Dr. Meides Rechtsanwälte & Partner, Fachanwälte für Arbeitsrecht, sind ausgewiesene Experten für tarifvertragliches Sozialkassenrecht. Beraten werden ua. Unternehmen aus dem Bereich des Industrieanlagenbaus, des Rohrleitungsbaus und verwandter Bereiche dazu, ob und wie sie Beitragszahlungen an die SOKA-Bau begrenzen oder ganz vermeiden können. Schreiben Sie eine E-Mail an MEIDES Rechtsanwälte Frankfurt.
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