BAG: ausländischer Auftraggeber trägt die Bürgenhaftung für SOKA-Beiträge

Haften Auftraggeber grenzüberschreitend nach der Bürgenhaftung für SOKA-Beiträge?

Unternehmer auf dem Bau haften sehr schnell, wenn Subunternehmer ihre Sozialversicherungspflichten nicht einhalten. Wir haben schon vor einiger Zeit über eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Nachunternehmerhaftung von Bauunternehmen und Bau-Handwerksbetrieben berichtet. Nun zeigt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wie relevant die Bürgenhaftung des Auftraggebers für die Sozialkassenbeiträge von Subunternehmen ist.

Die Rechtslage zur Bürgenhaftung für SOKA-Beiträge hat grenzüberschreitende Bedeutung: Sie gilt auch für Auftraggeber mit Sitz im Ausland. Und für ausländische Baubetriebe, die als Subunternehmer in Deutschland sozialkassenpflichtige Arbeiten ausführen, besteht Beitragspflicht zur Urlaubskasse der SOKA-Bau.

Auftraggeber aus Österreich, Auftragnehmer aus Deutschland, Subunternehmer aus Slowenien

In dem Verfahren hatte die SOKA-Bau (Sozialkasse der Bauwirtschaft) ein österreichisches Unternehmen aus der Nähe von Wien auf Nachzahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe von mehr als 20.000 Euro verklagt. Ursprünglich hatte die Sozialkasse sogar rund 45.000 Euro gefordert, etwa 25.000 Euro davon waren vorab schon beglichen worden.

Das österreichische Unternehmen hat ein Hochbau-System entwickelt und tritt als Generalunternehmer auf. Für die Errichtung von drei Seniorenheimen in Rheinland-Pfalz vergab es Aufträge über Bauleistungen an eine deutsche Gesellschaft, die wiederum eine Baufirma aus Slowenien mit Rohbau und Hochbauarbeiten beauftragte.

Der slowenische Betrieb übernahm Fassadenbauarbeiten, brachte Boden- und Wandverkleidungen an, führte Erdarbeiten aus und baute Fenster und Türen ein. Dazu wurden sechs Monate lang slowenische Bauarbeiter in Deutschland eingesetzt. SOKA-Beiträge bezahlte das Unternehmen für sie nicht. Deshalb verklagte die Sozialkasse den Auftraggeber aus Österreich vor dem Arbeitsgericht. Dieser, so die SOKA-Bau, sei für die Sozialkassenbeiträge des slowenischen Nachunternehmers haftbar.

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz: Auftraggeber haften wie ein Bürge

Die entscheidende Vorschrift findet sich in § 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AentG): Auftraggeber haften dafür, dass ihre Auftragnehmer, deren Nachunternehmer sowie in der Kette beauftragte Verleihunternehmen …

  1. ihren Arbeitnehmern Mindestlohn bezahlen und
  2. für die Arbeitnehmer Beiträge zu einer tariflichen Urlaubskasse abführen, etwa der ULAK als Zweig der SOKA-Bau.

Entscheidend für die Beitragspflicht war, dass bereits das Landesarbeitsgericht Hessen als Vorinstanz das slowenische Unternehmen als Baubetrieb eingeordnet hatte: dessen Gesamtarbeitszeit entfiel auf bauliche Tätigkeiten im Sinne des VTV. (Der VTV ist der allgemeinverbindliche Tarifvertrag, der die Sozialkassenpflicht für Bauunternehmen regelt.) Da die Richter die genaue Höhe der gezahlten Löhne nicht ermitteln konnten, hatte das Landesarbeitsgericht die Beitragsschulden geschätzt. Das war nach Ansicht des BAG zulässig.

Vergeben Sie Unteraufträge auf dem Bau? Dann sollten Sie diese Haftungsrisiken kennen

Unternehmen tragen die Bürgenhaftung für Sozialkassenbeiträge der von ihnen beauftragte Subunternehmer (Bürgenhaftung für SOKA-Beiträge).

  • Anders ausgedrückt: Bleibt der Subunternehmer die SOKA-Beiträge schuldig, kann sich die Sozialkasse direkt an den Auftraggeber wenden. Sie muss nicht zuerst versuchen, die Beitragsschulden vom Hauptschuldner selbst zu bekommen (das bedeutet „haftet … wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat“ in § 14 AEntG).
  • Die Haftung ist auch bei grenzüberschreitenden Aufträgen relevant. Setzen Bauunternehmen mit Sitz im Ausland Arbeiter in Deutschland ein, müssen sie Beiträge an die SOKA-Bau abführen, wenn die Arbeiten unter die Sozialkassentarifvertrag fallen. (Ausnahmen gibt es nur, wenn die Urlaubskassenregelungen zuhause vorteilhafter sind.)
  • Außerdem haften Unternehmen dafür, dass von ihnen beauftragte Subunternehmer den Mindestlohn bezahlen.
  • Zu alledem tragen Auftraggeber im Baubereich noch weitere Haftungsrisiken für Auftragnehmer und Subunternehmer: Das Sozialgesetzbuch macht sie grundsätzlich für deren Sozialversicherungsbeiträge haftbar.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Meides prüft für Sie die Risiken – und wehrt unberechtigte Forderungen ab

Das Risiko ist nicht von der Hand zu weisen: Wer Aufträge über Bauleistungen an andere Unternehmen weitergibt, kann für deren Schulden gegenüber Sozialversicherungsträgern und SOKA-Bau in Haftung genommen werden. Andererseits gibt es auch hier je nach Einzelfall Möglichkeiten und Gestaltungen, um das Haftungsrisiko zu begrenzen. Und längst nicht jede Forderung, die aus Nachunternehmerhaftung geltend gemacht wird, ist wirklich berechtigt.

Fachanwalt Dr. Meides berät seit Jahrzehnten Bauunternehmen und Handwerksbetriebe zur SOKA-Bau sowie zu Sozialversicherungs- und Steuerfragen. Er kann Sie rasch darüber aufklären, welche Möglichkeiten es für Ihr Unternehmen gibt. Sie erreichen Rechtsanwalt Dr. Meides, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt, unter eMail MEIDES Rechtsanwälte.

Das in diesem Beitrag verwendete Foto stammt von Pixabay.com © anestiev. Herzlichen Dank!