Hätten Sie es gewusst? Leistungsträger können von der Sozialauswahl ausgenommen werden

Gelegentlich sprechen Unternehmer verzweifelt vor und beklagen, dass sie sich im Zusammenhang mit notwendigen betriebsbedingten Kündigungen bei der ordentlichen Einhaltung der Kriterien für die Sozialauswahl vor allem der Mitarbeiter entledigen müssen, die besonders wichtig für das Unternehmen sind und sich durch ihre sehr guten Leistungen hervortun.
Oft werden die Augen dann ganz groß, wenn man erklärt, dass das Kündigungsschutzgesetz es dem Arbeitgeber durchaus ermöglicht die Sozialauswahl einzuschränken.
Hätten Sie das gewusst?

Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Aber wie bei nahezu allem im Leben und im Arbeitsrecht. hört sich das leichter an, als es tatsächlich ist. Ein Arbeitnehmer darf nämlich nur dann nicht in die Sozialauswahl einbezogen werden, wenn seine betriebliche Spezialisierung – d.h. nicht die persönliche, sondern die, die im betrieblichen Interesse liegt – und die aktuellen besonderen Umstände einen solchen Grad erreicht haben, dass ein Einsatz eines anderen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz des „Spezialisten“ auch nach einer angemessenen Einarbeitungsfrist nicht möglich ist, so das BAG am 5. Mai 1994 – 2 AZR 917/93. Nicht ausreichend ist dafür allerdings, dass ein anderer Arbeitnehmer nur einen bestimmten, insbesondere untergeordneten Arbeitsvorgang nicht ausüben kann. Der Arbeitseinsatz eines anderen Mitarbeiters muss insgesamt nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll möglich sein.

Da der Arbeitgeber hier vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig ist, reicht es nicht aus sich pauschal auf eine „Leistungsträgereigenschaft“ zu berufen. Es muss substantiiert vorgetragen werden, dass ein Leistungsträger vorliegt und warum.

Zudem darf die Prüfung der Leistungsträgereigenschaft nicht grob fehlerhaft sein. Das bedeutet, dass bei der Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl eine Abwägung mit den sozialen Belangen des zu kündigenden Arbeitnehmers stattzufinden hat. Die Frage der Herausnahme einzelner Arbeitnehmer ist also nicht abstrakt zu beantworten, sondern muss stets im konkreten Vergleich und bezogen auf die spezifische betriebliche Situation beurteilt werden. Das wiederum bedeutet, dass die Herausnahme eine Frage der „sozialen Auswahl“ ist, auf die sich nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit beziehen soll. Außerdem kann die Frage, ob berechtigte betriebliche Interessen gegeben sind, sinnvoll nur dann beantwortet werden, wenn feststeht, welche Arbeitnehmer bei „normaler“ Durchführung der Sozialauswahl im Betrieb verbleiben würden. Dem entspricht es, zunächst alle vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen und anschließend zu untersuchen, ob dieses Ergebnis geändert werden muss.

Das BAG hat hierzu im Jahr 2002 eine wegweisende Entscheidung getroffen, die man zu Vertiefung lesen sollte.