Die Kirche reflektiert über ihr Arbeitsrecht. Und begibt sich auf Reformkurs.

Zusammengenommen sind die evangelische und die katholische Kirche Deutschlands zweitgrößter Arbeitgeber. Ca. 1,3 Millionen Mitarbeitende unterliegen damit dem kirchlichen Arbeitsrecht. Das kirchliche Arbeitsrecht ist zunächst einmal „normales“ Arbeitsrecht, welches jedoch durch die Kirchen eine besondere Prägung erhalten hat. Die Frage, wie ein modernes kirchliches Arbeitsrecht  ausgestaltet sein muss, wird derzeit in den Kirchen grundlegend hinterfragt.

#OutInChurch und das Eintreten gegen Diskriminierung

Mit #OutInChurch hat sich in jüngerer Zeit eine Initiative gegründet, hinter der sich sowohl haupt- als auch ehrenamtlich in der katholischen Kirche tätige Menschen versammeln. Sie identifizieren sich unter anderem als lesbisch, schwul, bi, trans*, inter, queer und non-binär.

#OutInChurch tritt ein für ein freies und von Anerkennung der Würde aller getragenes Zusammenleben und Zusammenarbeiten in der römisch-katholischen Kirche. Explizit gefordert wird auch eine „Änderung des diskriminierenden kirchlichen Arbeitsrechts. Einschließlich aller herabwürdigenden und ausgrenzenden Formulierungen in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ (Manifest von #OutInChurch).

Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts

Das kirchliche Arbeitsrecht weist, im Vergleich zum sonstigen („weltlichen“) Arbeitsrecht einige Besonderheiten auf. Dies liegt in dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen begründet. Diese dürfen ihre Angelegenheiten innerhalb der gesetzlichen Schranken selbständig ordnen und verwalten (vgl. zu Konfessionszugehörigkeit).

Dieses Selbstbestimmungsrecht erlaubt es den Kirchen grundsätzlich, arbeitsrechtliche Maßnahmen, bis hin zur Kündigung, gegen kirchliche Mitarbeitende aufgrund ihrer persönlichen Lebensführung zu ergreifen.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser arbeitsrechtlichen Maßnahmen sind dabei im Rahmen einer Interessenabwägung nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zum einen die berechtigten Loyalitätserwartungen des kirchlichen Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Loyalitätserwartungen sind in der katholischen Kirche zentral in der sogenannten „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ festgehalten.

Auf Seiten des kirchlichen Mitarbeitenden zentral zu berücksichtigen ist hingegen die Achtung seines Privat- und Familienlebens.

Weiterentwicklung als dynamischer Prozess

In dieses Spannungsfeld des kirchlichen Arbeitsrechts wirkt nicht nur die Initiative #OutInChurch hinein. So wandten sich elf Generalvikare in einem offenen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz mit der Forderung nach einer Reform des kirchlichen Arbeitsrechtes, auch in Form der Änderung der Grundordnung. Das Arbeitsrecht dürfe kein Instrument sein, um eine kirchliche Sexual- und Beziehungsmoral durchzusetzen. Die stehe derzeit ohnehin zur Diskussion und lasse die komplexe Lebenswirklichkeit von Menschen außer Acht. Die Generalvikare beziehen sich hierbei explizit auch auf die Initiative #OutInChurch und auf die Dritte Synodalversammlung des Synodalen Weges (3. bis 5. Februar 2022 in Frankfurt a.Main).

Das kirchliche Arbeitsrecht findet sich durch diese Entwicklungen in einem dynamischen Entwicklungs- und Veränderungsprozess wieder. Die Bewertung der Frage, welche „berechtigten Loyalitätserwartungen“ im Sinne der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte an die kirchlichen Mitarbeitenden zu stellen sind, wird durch diesen Prozess grundlegend in Frage gestellt werden. Ohnehin gerät das kirchliche Arbeitsrecht auch durch nicht originär kirchliche Akteure zunehmend unter Druck. So forderte jüngst etwa der Kirchenfachrat der Gewerkschaft ver.di eine Abschaffung kirchlicher Privilegien im Arbeitsrecht und eine Angleichung des kirchlichen Sonderstatus an das staatliche Arbeitsrecht.

Es wird die Aufgabe der Kirche und aller in ihr engagierten Menschen sein, den eingeschlagenen Reformkurs in ihrem Sinne zu gestalten und so eine substantielle Weiterentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechtes zu erreichen. Eine Weiterentwicklung, die die sich dem weltlichen Arbeitsrecht annähert, ohne sich dabei jedoch der Stärken einer christlichen Identität des kirchlichen Arbeitsrechts zu berauben.

Beratung für kirchliche Arbeitgeber: Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Dr. Sebastian Läßle in der Meides Rechtsanwaltsgesellschaft berät konfessionelle Arbeitgeber im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Selbstverständnis und geltenden arbeitsrechtlichen Vorgaben. Für etwaige Fragen zögern Sie bitte nicht Rechtsanwalt Dr. Läßle zu kontaktieren. Sie erreichen Rechtsanwalt Dr. Läßle unter MEIDES Rechtsanwälte, Frankfurt.

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