Wann ist ein Bauträger ein sozialkassenpflichtiger Baubetrieb?

Bundesarbeitsgericht zur Sozialkassenpflicht einer Bauträger-Gesellschaft

In einem Rechtsstreit zwischen einer Bauträger-Gesellschaft und der SOKA-Bau hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass bei reiner Bauträger-Tätigkeit grundsätzlich keine Beitragspflicht zur tariflichen Sozialkasse des Baugewerbes entsteht.

Aus dem Urteil folgt aber auch, dass Bauträger in bestimmten Fällen durchaus unter den Sozialkassen-Tarifvertrag des Baugewerbes fallen können, z. B. wenn das Unternehmen auch bauliche Arbeiten ausführt. Dabei können auch die Tätigkeiten der Angestellten über die Beitragspflicht mitentscheiden.

Bauträger-GmbH selbst baulich? Die SOKA fordert Beiträge

Eine Bauträgergesellschaft aus Niedersachsen beschäftigte zwei gewerbliche Arbeitnehmer und sieben Angestellte. Für die eigentlichen Bauarbeiten nahm die Bauträger-GmbH Baufirmen unter Vertrag. Die zwei Arbeiter waren auf den Baustellen der Immobilienprojekte mit Koordinierung, Aufsicht sowie mit Kranarbeiten befasst. Die Angestellten kümmerten sich um den Vertrieb, betreuten Besichtigungen von Musterwohnungen, waren mit Buchhaltung und kaufmännischen Tätigkeiten beschäftigt, für Planungsarbeiten zuständig und erledigten Aufgaben der Mietverwaltung.

Die Sozialkasse des Baugewerbes (SOKA-Bau) betrachtete den Bauträger als baugewerblich und damit als beitragspflichtig im Sinne des VTV, des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Die GmbH wehrte sich gegen die Beitragsforderungen, der Streit ging vor Gericht.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden als erste Instanz gab dem beklagten Unternehmen recht. Das hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main gestand der SOKA-Bau in der Berufung Beitragsnachzahlungen für die zwei gewerblichen Arbeitnehmer zu. Diese hätten eine bauliche Betriebsabteilung gebildet. Für die Angestellten sah das LAG Hessen keine Beitragspflicht.

Bundesarbeitsgericht: Standen die Angestelltentätigkeiten im Zusammenhang mit baugewerblichen Arbeiten?

Die SOKA-Bau legte gegen die LAG-Entscheidung Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt ein. Das hob die Berufungsentscheidung auf und verwies die Sache zurück. Reine Bauträgertätigkeit ist der Entscheidung zufolge nicht als bauliche Tätigkeit einzustufen.

Eine Sozialkassenpflicht ist dagegen möglich, wenn ein Bauträger eigene baugewerbliche Leistungen erbringt, und diese einen erheblichen Anteil an der Gesamtarbeitszeit ausmachen. Ein Beispiel: Die Gesellschaft beschäftigt gewerbliche Arbeitnehmer mit baulichen Arbeiten, deren Arbeitszeit überwiegt. Aber auch die Tätigkeit der Angestellten kann zur SOKA-Pflicht führen, und zwar dann, wenn sie Zusammenhangstätigkeiten mit baulichen Arbeiten erledigen.

Ob dies im Fall des niedersächsischen Unternehmens gegeben ist, soll nun die Neuverhandlung am Landesarbeitsgericht zeigen. Dort muss eruiert werden, wie viel von den Gesamtarbeitszeiten der Angestellten sich jeweils auf die Bereiche Bau und Bauträgerschaft verteilt.

SOKA-Beitragspflicht im Mischbetrieb: Gesamtarbeitszeit und „Zusammenhangstätigkeiten“

In einem Mischbetrieb mit baulichen und nicht baulichen Tätigkeiten lässt sich durch eine Auflistung der Arbeitszeiten zeigen, was von beidem überwiegt. Entfällt mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit auf bauliche, d. h. vom VTV erfasste und damit SOKA-pflichtige Tätigkeiten, muss der Betrieb oder die Betriebsabteilung Beiträge abführen, und zwar für alle Arbeitnehmer und Angestellten.

Bei der Erfassung der Arbeitszeiten zählen sogenannte „Zusammenhangstätigkeiten“ bei den baulichen Leistungen mit. Das sind Tätigkeiten, die per se keine Bautätigkeit darstellen, für die Ausführung der baulichen Arbeiten aber notwendig sind, wie Transporte oder Reinigungsarbeiten. Auch Angestelltentätigkeiten können Zusammenhangstätigkeiten sein. Der VTV selbst zählt die kaufmännische Verwaltung, den Vertrieb, Planungsarbeiten, Laborarbeiten und Prüfarbeiten auf. Diese Angestelltentätigkeiten fallen allerdings nur dann direkt unter den Sozialkassentarifvertrag, wenn die entsprechende Abteilung einem Baubetrieb angeschlossen ist. Ansonsten entscheidet der Betriebszweck.

Wichtig: Reine Bauträgerschaft fällt nicht unter den Sozialkassen-Tarifvertrag

Entscheidend ist trotz allem zunächst die Feststellung des Bundesarbeitsgerichts, dass ein reiner Bauträger nicht sozialkassenpflichtig ist. Der Haupt-Geschäftszweck einer Bauträgergesellschaft ist es, Grundstücke zu entwickeln, darauf Gebäude erstellen zu lassen und diese zu verkaufen. Unternehmenszweck ist nicht die Erstellung der Bauwerke, sondern die Vermarktung der Immobilien. Die Entwicklung, die Planung, die Verwaltung und der Vertrieb von Grundstücken und Gebäuden sind in diesem Fall nicht baugewerblicher Natur und auch keine Zusammenhangstätigkeiten.

Eine Bauträgergesellschaft kann außerdem Subunternehmer einsetzen, ohne SOKA-pflichtig zu werden. Das gilt zumindest solange, wie die Arbeiten des Subunternehmers nicht dem Bauträger zuzurechnen sind, weil dieser sie direkt beaufsichtigt oder mit eigenen Bauleistungen koordiniert.

Trotzdem: Bauträger sollten ihre Situation prüfen lassen

Die BAG-Entscheidung zeigt, dass Bauträger das Thema „SOKA-Bau“ nicht einfach abhaken können. Unternehmen, die eigene gewerbliche Arbeitnehmer einsetzen, oder deren Angestellte direkt mit Bauarbeiten zu tun haben, sollte ihre individuelle rechtliche Lage prüfen lassen. Wenn tatsächlich eine Grundlage für Ansprüche der SOKA-Bau besteht, sollte man dies nicht von der Sozialkasse selbst erfahren, sondern vorher schon Gestaltungsspielräume nutzen.

Fachanwalt Dr. Meides: Fachmann für Sozialkassen-Recht

Rechtsanwalt Dr. Meides ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die Dr. MEIDES Rechtsanwälte & Partner mbB vertritt seit vielen Jahren Unternehmen aller Größen und Branchen aus dem gesamten Bundesgebiet in Auseinandersetzungen mit der SOKA-Bau und anderen tariflichen Sozialkassen. Sie erreichen die MEIDES Rechtsanwaltsgesellschaft unter MEIDES Rechtsanwälte, Frankfurt.

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