Zimmererbetrieb, Wintergärten: ist Werkstattarbeit SOKA-pflichtige Bautätigkeit?

Bundesarbeitsgericht: Werkstattarbeit im Zimmererbetrieb als Bautätigkeit mit SOKA-Beitragspflicht

Die Sozialkasse des Baugewerbes (SOKA-Bau) ist bekanntlich schnell bereit, einen Betrieb für beitragspflichtig zu halten, wenn dieser im weiteren Sinn mit Bautätigkeiten oder Bauhandwerk zu tun hat. Die betroffenen Unternehmen sehen das oft ganz anders (und tun gut daran, direkt bei uns anzurufen (069-95929790), sobald die Sozialkasse zur Beitragszahlung oder Selbstauskunft auffordert.)

Nun gibt es zur Sozialkassenpflicht eine klare Regelungsgrundlage, in Form des VTV (Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe). Darin steht: SOKA-Beiträge muss ein Betrieb nur dann bezahlen, wenn mehr als 50 Prozent seiner Gesamtarbeitszeit auf SOKA-pflichtige, baugewerbliche Tätigkeiten entfallen. Deshalb galt lange Zeit: Wenn ein Großteil der Arbeitszeit auf Werkstattzeiten für die Produktion von Bauelementen entfiel, hatte die Sozialkassen im Regelfall nichts zu fordern. Die Werkstatt-Arbeit selbst galt als baufremd. SOKA-Pflicht drohte nur, wenn die Montage der Elemente überwog.

Nun hat das Bundesarbeitsgericht allerdings in einem neuen Urteil entschieden: Auch in der Werkstatt können Bautätigkeiten stattfinden, wenn dort ganze Gebäudeteile produziert werden. Betriebe, die komplexe Bauelemente produzieren, sollten sich deshalb mit der Sozialkassenfrage befassen, selbst wenn die Montage nur den kleineren Teil der Arbeitszeit ausmacht.

Die SOKA-Bau, ein Zimmererbetrieb und die Wintergärten: Eine Geschichte über drei Instanzen

In dem Fall ginge es um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte, die ein Zimmererbetrieb für vier Jahre nachzahlen sollte. Insgesamt kam eine Beitragsforderung von rund 120.000 Euro zusammen. Das Unternehmen hatte sich darauf spezialisiert, neben der Montage von Vordächern und Terrassenüberdachungen vor allem Wintergärten herzustellen und zu montieren. Für diese wurden nach dem Aufmaß beim Kunden in der betriebseigenen Werkstatt die notwendigen Elemente aus Holz, Glas, Metall und Kunststoff zusammengebaut. Auf den Zuschnitt und die Imprägnierung des Materials sowie die Produktion von Profilen und anderen Bauelementen entfiel nach Angaben des Unternehmens bis zu 90 Prozent der Tätigkeiten. Die Montage bei den Kunden fiel dagegen bezüglich der betrieblichen Gesamtarbeitszeit kaum noch ins Gewicht.

Deshalb sah das Unternehmen sich als nicht SOKA-pflichtig. Das Herstellen von Bauelementen aus Halbprodukten und Rohlingen sei, wie etwa auch die Produktion von Fertigfenstern, nicht SOKA-pflichtig. Die SOKA-Bau bestand dagegen auf ihrer Beitragsforderung und klagte vor Gericht. Der Fall gelangte schließlich im Revisionsverfahren bis zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Für das BAG zählt die „Erweiterung eines Bauwerks“ als Zweck

Der Grund dafür, dass die Richter am Bundesarbeitsgericht den Zimmererbetrieb trotz überwiegender Werkstattarbeit für SOKA-pflichtig hielten, war die Einschätzung, dass ein Wintergarten vor allem den Zweck habe, den Wohnbereich eines Hauses zu erweitern. Diese Erweiterung sei eine Änderung des Bauwerks, und Betriebe, die bauliche Leistungen zur Änderung von Bauwerken erbringen, sind laut VTV generell beitragspflichtig.

Entscheidend für die Richter war dabei nur der Zweck der Werkstatttätigkeiten, die auf diese „Erweiterung“ eines Hauses durch Errichtung eines Wintergartens abzielten. Dass das Zuschneiden und Imprägnieren von Rohmaterial selbst keinen baulichen Charakter hatte, änderte daran genau so wenig wie der Umstand, dass diese Arbeiten nicht auf der Baustelle stattfanden. Für die Richter kann es sich „auch dann um einen baugewerblichen Betrieb handeln, wenn die für die Änderung eines Bauwerks erforderlichen Tätigkeiten nicht ausschließlich auf der Baustelle selbst, sondern zum überwiegenden Teil in der Werkstatt des Arbeitgebers durchgeführt werden.“

Fazit: Es wird immer wichtiger, das SOKA-Thema bereits im Vorfeld anzugehen

Mit ihrem Urteil erklärten die Richter die Produktion der Wintergarten-Elemente aus Glas und Holz, aus denen später die Wintergärten errichtet wurden, bereits selbst zur baulichen Leistung. Dieses Urteil sollte Unternehmen zu denken geben, die bislang vor SOKA-Beitragsforderungen sicher waren, weil bei ihnen Werkstatt-Arbeiten und die Produktion von Bauelementen überwogen.

Für manche von ihnen könnte SOKA-Pflicht im Raum stehen. Trotzdem lassen sich auch dann noch vielfach Lösungen finden, wenn der Betrieb das Thema rechtzeitig und proaktiv angeht. Einige Beispiele:

  • Das auf die Errichtung von Wintergärten spezialisierte Unternehmen war als Zimmererbetrieb in die Handwerksrolle eingetragen. Als Schreiner-Betrieb hätte es wohl von der bereits 2017 geschlossenen Verbändevereinbarung profitiert, zumal das Schreinerhandwerk seit vielen Jahren laut VTV explizit nicht beitragspflichtig ist. Solche Möglichkeiten sollte man ausloten.
  • In anderen Fällen kann die Betriebsorganisation für eine reduzierte SOKA-Beitragspflicht sorgen.
  • Für einen mittelständischen Betrieb kann es sinnvoll sein, von vornherein den industriellen Charakter zu betonen, denn Industriebetriebe fallen nicht unter den VTV.
  • … es gibt noch andere Optionen, abhängig vom Einzelfall.

In jedem Fall sollte man die Frage der Sozialkassenbeitragspflicht rechtzeitig angehen – vertrauen Sie unserer auf tarifliches Sozialkassenrecht spezialisierten Kanzlei Dr. Meides Rechtsanwälte.

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