Asphalt im Gussasphaltkocher anliefern als „bauliche Leistung“?

Gussasphalt-Transporte als SOKA-pflichtige bauliche Leistung?

Wie heißer Asphalt im Gussasphaltkocher oder die Wellen auf hoher See schwappen auch die Sichtweisen von Richtern mitunter mal in die eine, mal in die andere Richtung. Ein schönes Beispiel: Zwei Kammern des Landesarbeitsgerichts Hessen in Frankfurt vertreten völlig unterschiedliche Meinungen dazu, ob Gussasphalt-Transporte zur Baustelle SOKA-pflichtig sind.

  • Vor einiger Zeit folgten die Richter der einen Kammer der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und entschieden. Ein Gussasphaltkocher ist eine Baumaschine. Der Asphalt-Transport ist jedoch nur dann SOKA-beitragspflichtig, wenn der Gussasphalt quasi direkt aus dem Asphaltkocher heraus verarbeitet wird.
    Muss der Asphalt dagegen auf der Baustelle noch zum Verwendungsort gebracht werden, z. B. mit Schubkarren oder auch per Dumper, dann ist das Anliefern mit dem Gussasphaltkocher nicht baulich und damit auch nicht beitragspflichtig. (diese Entscheidung „Gussasphalttransport“ hatten wir schon.)
  • Nun kamen die Richter einer anderen Kammer des LAG Hessen zu einer anderen Ansicht: Nach ihrer Ansicht erfolgt der Transport von Gussasphalt in einem Asphaltkocher auch dann „zur Erbringung baulicher Leistungen“ (und ist deshalb SOKA-pflichtig), wenn der Asphalt auf der Baustelle noch weitertransportiert werden muss – und zwar, solange der Asphalt noch heiß genug ist, um verarbeitet zu werden.

Was hat die Sozialkasse der Bauwirtschaft mit LKW-Transporten zu tun?

Die tarifliche Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA-Bau) wurde ursprünglich gegründet, um Bauarbeitern trotz der für den Bau typischen häufigen Arbeitgeberwechsel zu einem verlässlichen Urlaubsentgelt sowie einer zusätzlichen Altersvorsorge zu verhelfen. Durch eine sogenannte Allgemeinverbindlicherklärung gilt der entsprechende Tarifvertrag (VTV) auch für Unternehmen, die keinem Arbeitgeberverband angehören.

Der VTV enthält viele, sehr komplizierte Regeln zur Beitragspflicht bestimmter Tätigkeiten. Die SOKA-Bau offensiv wendet sie offensiv an, um neue Beitragszahler zu akquirieren. Schon lange fordert die SOKA-Bau auch Betriebe jenseits der klassischen Bauunternehmung zur Beitragszahlung für ihre Arbeitnehmer auf. Dabei zeigt sie sich sehr klagefreudig.

So war es auch in diesem Fall: die SOKA-Bau hatte ein Transportunternehmen, das neben Schüttgut wie Kies und Sand vor allem Gussasphalt transportierte, auf die nachträgliche Zahlung von Beiträgen verklagt.

Gussasphaltkocher: Transportfahrzeuge oder Baumaschinen?

Gussasphalt zeichnet sich dadurch aus, dass er ohne anschließende Verdichtung durch Straßenwalzen direkt verarbeitet werden kann. Allerdings muss das Gemisch (Bitumen sowie Gesteinskörnungen von Steinmehl über Sand bis zu Splitt) dafür eine ausreichende Temperatur aufweisen, in der Regel etwa 230 ° C, und gut durchmischt sein. Deshalb wird es in Gussasphaltkochern transportiert.

Solche Asphaltkocher sind isolierte kesselförmige Behälter, die stehend oder liegend auf Lastwagen oder LKW-Anhänger montiert werden. Sie enthalten eine meist mit Gas betriebene Heizeinheit, die den Asphalt während des Transports auf der benötigten Temperatur hält. Außerdem besitzen die Kocher ein Rührwerk, das für eine stetige, langsame Durchmischung sorgt und verhindert, dass die schweren Bestandteile nach unten absinken.

Asphalttransport ist bauliche SOKA-pflichtige Leistung, wenn der Asphalt verarbeitbar ist

Die Richter schrieben dazu wörtlich: „Die Kocher unterscheiden sich von bloßen Beförderungsmitteln dadurch, dass das Baumaterial … in dem für die sofortige Verwendung auf der Baustelle erforderlichen Verarbeitungszustand gehalten wird.“ Damit erfüllten sie eine „spezielle Funktion im Rahmen der arbeitsteiligen Organisation“ der jeweiligen Baustelle. Und deshalb handle es sich um Baumaschinen, die „mit Bedienpersonal“ vermietet würden.

Dem neuen Urteil zufolge ist der Asphalttransport vom Mischwerk zur Baustelle nur dann keine SOKA-pflichtige Bauleistung, wenn der Asphaltkocher seine Funktion nicht erfüllt. Also der Asphalt nicht mehr verarbeitet werden kann, weil er zu kalt geworden ist oder die Bestandteile sich entmischt haben.

Die daraus abgeleitete Pflicht zur Beitragszahlung an die SOKA konnte das Transportunternehmen nicht einmal durch den Hinweis verhindern, dass es Asphalt nicht nur zu Baustellen brachte, sondern für einen Kunden auch regelmäßig quer durch die Republik bis nach Berlin zum Weiterverkauf transportierte.

Je unübersichtlicher die Rechtslage, umso wichtiger wird Rechtsberatung

Die komplizierten Bestimmungen im VTV zur Sozialkassenpflicht sind für Laien kaum nachvollziehbar. Wenn dann auch noch zwei Kammern des gleichen Gerichts sich bei der Beurteilung eines vergleichbaren Sachverhalts so deutlich widersprechen, wird die Rechtslage vollends unübersichtlich. Gemäß dem neuen Urteil müssen wohl selbst Asphalt-Tanker, die heißes Bitumen auf dem Wasser transportieren, eigentlich als Baumaschinen zählen. Das zeigt, wie weit sich das Sozialkassenrecht vom Alltag entfernt hat.

Umso wichtiger ist es, sich verlässlich über die Rechtslage zu informieren, falls Ansprüche der Sozialkasse gegen das eigene Unternehmen drohen. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht hat Rechtsanwalt Dr. Meides der SOKA-Bau und anderen tariflichen Sozialkassen in einer Vielzahl von Verfahren Paroli geboten. Sie erreichen die Kanzlei unter MEIDES Rechtsanwälte Frankfurt..

Das in diesem Beitrag verwendete Foto „Gussasphaltkocher“ stammt von T.Voekler, Roadmen, CC BY-SA 3.0. Herzlichen Dank!